Mehr Tempo bei Strassen, mehr Marktwirtschaft beim Klimaschutz
U2-Papier zum Beschluss des Koalitionsausschusses vom 28.03.2023
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben sich nach intensiven Verhandlungen im Koalitionsausschusses auf ein umfassendes Modernisierungs- und Beschleunigungspaket für Deutschland geeinigt.
Das Tempo für Planungs- und Genehmigungsverfahren wird weiter erhöht. Das Klimaschutzgesetz wird aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft überführt. Statt unrealistischer Jahresziele zählt zukünftig konsequent das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045. Die Wende in das Zeitalter des marktwirtschaftlichen Klimaschutzes über den Europäischen Emissionshandel wird eingeleitet.
Den Freien Demokraten ist es gelungen, eine Modernisierungspolitik der Mitte und des Ausgleichs zu erreichen. Beim Ziel Deutschland klimaneutral zu machen, achten wir auf Machbarkeit, Finanzierbarkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung. Wir wollen das Land einen und nicht spalten!
Deutschland wird schneller beim Ausbau Erneuerbarer Energien, genauso wie beim Infrastrukturausbau für die Straße. Der Klimaschutz wird wirtschaftlich und sozial gerecht gestaltet. Die Menschen und die Wirtschaft können auf verlässliche und planbare Rahmenbedingungen vertrauen.
Folgende wichtige Punkte konnten von der FDP erreicht werden:
1. Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG)
Die Klimapolitik erfährt einen Paradigmenwechsel. Die kleinteilige, sektorspezifische und jährliche Betrachtung hat sich weder als praxistauglich noch als realitätsnah erwiesen. Die zukünftige Klimapolitik ist konsequent am Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 ausgerichtet. Wir werden die jährlichen Sektorziele durch eine sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung ersetzen. Jetzt werden die unverändert ambitionierten deutschen Klimaziele verlässlich und zu deutlich geringeren Kosten für die Bürger und Unternehmen erreichbar. So vermeiden wir auch aktionistische Sofortprogramme, die bislang extrem teuer, aber nahezu wirkungslos waren. Nur wenn das Gesamtziel in Gefahr ist, muss die gesamte Bundesregierung gegensteuern. So kommen wir weg von einer Klimapolitik, die oft mehr auf Symbolik als auf tatsächliche Einsparungen setzt.
Der europäische Emissionshandel (ETS I und ab 2027 ETS II) wird künftig das zentrale Leitinstrument der Klimapolitik sein. Damit verlieren nationale Regelungen, die auf einseitige Einsparungen in Deutschland zielen, ihre Bedeutung. Anlagen und Unternehmen, die heute schon dem Emissionshandel für Energie und Industrie unterliegen (ETS I), bleiben weiterhin von zusätzlichen Energieeffizienzanforderungen verschont. Die sogenannte Sperrklausel bleibt bestehen. So vermeiden wir unnötige Bürokratie und steigende Kosten für Bürger und Unternehmen.
Wir haben außerdem erreicht, das technische Senken zur CO2-Entnahme Eingang in das Klimaschutzgesetz finden werden. Bereits 2035 wird es eine konkrete Zielmarke für diese Negativemissionen geben. Dadurch schaffen wir die notwendigen Anreize, um Negativemissionstechnologien im industriellen Maßstab verfügbar zu machen. Das ist ein Beitrag zum Klimaschutz durch technologischen Fortschritt und Technologieoffenheit.
Die Novelle des Klimaschutzgesetzes macht den Klimaschutz in Deutschland effektiver und marktwirtschaftlicher als bisher. Das ist gut für das Klima, die Wirtschaft und die Menschen im Land.
Außerdem haben wir erreicht, dass im Naturschutz zukünftig Ausgleichszahlungen gleichranging mit Ausgleichsmaßnahmen erfolgen können. Das ist ein Booster für private Investitionen und nützt gleichzeitig dem Naturschutz. Der Naturschutz kann an den richtigen Stellen (Qualität der Maßnahmen) und mit ausreichenden Mitteln erfolgen.
2. Beschleunigung bei Verkehrsinfrastrukturausbau Straße
Deutschland braucht als führender Wirtschaftsstandort Europas eine leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur. Wir sind auf reibungslos funktionierenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße, der Schiene und der Wasserstraße angewiesen. Beim Infrastrukturausbau und der Modernisierung muss Deutschland schneller werden – ohne ideologische Scheuklappen.
Für besonders dringende Engpassbeseitigungen und Lückenschlüsse auf Autobahnen haben wir jetzt eine große Beschleunigung erreicht. 144 konkrete Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan können jetzt superschnell umgesetzt werden. Diese Projekte zur Engpassbeseitigung werden als überragendes öffentliches Interesse festgeschrieben. Damit beseitigen wir Stauschwerpunkte auf Autobahnen wie der A3, der A8 oder der A45 wesentlich schneller (Anlage 1).
Für die noch verbleibenden Autobahnneubauprojekte gehen wir den Weg über eine Beschleunigung im Naturschutzrecht (Ersatzgeld). Außerdem profitieren sie von den bereits im vergangenen Jahr beschlossenen Beschleunigungen. Autobahnneubauprojekte wie die A20 in Norddeutschland oder die A100 in Berlin profitieren von schnelleren Raumverträglichkeitsprüfungen sowie Vereinfachungen bei Verwaltungsgerichtsverfahren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing wird über die Autobahn GmbH des Bundes alle weiteren Möglichkeiten der Beschleunigung des Autobahnneubaus konsequent nutzen und in der Praxis anwenden.
Wir haben in der Ampel durchgesetzt, dass marode Brücken einfacher und schneller, ohne neues Planfeststellungsverfahren, saniert werden können. Die etwa 4000 sanierungsbedürftigen Brücken in Deutschland können damit schnell und unbürokratisch modernisiert werden – sogar mit mehr Fahrspuren, falls der zunehmende Verkehr dies erfordert.
Parallel dazu werden wir die Modernisierung des Schienennetzes vorantreiben. Auch Schienenprojekte, die als vordringlicher Bedarf bzw. fest disponiert eingestuft sind, werden als überragendes öffentliches Interesse festgelegt. Damit schaffen wir die Voraussetzungen dafür, den Ausbau des Schienennetzes auch in die Praxis umzusetzen.
Mit der Digitalisierung des Schienenbestandsnetzes werden wir die Kapazitäten des Personen- und Güterverkehrs deutlich erhöhen. Somit kann mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werden.
Mit der Beschleunigungskommission Rhein sorgt das Verkehrsministerium dafür, dass die die wichtigste und verkehrsreichste Binnenschifffahrtsstraße Europas auch bei Niedrigwasser in Zukunft besser schiffbar bleibt.
3. Grundlagen für den Markthochlauf E-Fuels
Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass ohne Technologieoffenheit und Wettbewerb um die besten Innovationen der Weg in die Klimaneutralität länger und teurer wird. Wir wissen nicht, was die dominierende Antriebstechnologie der Zukunft sein wird. Wir wissen allerdings, dass wir noch ein bis zwei Jahrzehnte den heutigen Fahrzeugbestand werden nutzen müssen, aber auch können. Das kann wertvolle Ressourcen sparen.
Der schnellste Weg zu CO2-Einsparungen im Verkehr ist daher ein ambitionierter Markthochlauf synthetischer CO2-neutraler Kraftstoffe (E-Fuels). Mit E-Fuels lässt sich bereits in der aktuellen Flotte massiv CO2 einsparen, ohne dass neue Autos, Rohstoffintensive Batterien oder eine neue Netzinfrastruktur ausgebaut werden müsste.
Damit der Markthochlauf für E-Fuels gelingen kann, braucht die Industrie Planungs- und Investitionssicherheit. Dazu haben wir uns in der Koalition auf konkrete Maßnahmen für den E-Fuels-Hochlauf verständigt. Wir werden Zulassungshürden für den Verkauf reiner E-Fuels an Tankstellen beseitigen. Mit einer E-Fuels-Strategie wird die Bundesregierung einen Fahrplan für den Hochlauf synthetischer und klimaneutraler Kraftstoffe vorlegen. Von zunächst ambitionierten Beimischungsquoten bis zu idealerweise 100-Prozent CO2-neutralen Kraftstoffen im Jahr 2045. Zusätzlich werden wir die Besteuerung von Kraftstoffen zukünftig stärker nach ihrer Klimawirkung ausrichten. E-Fuels-Only PKW werden wir zusätzlich bei der KFZ-Steuer wie bei der Dienstwagenbesteuerung mit E-Autos gleichbehandeln.
Wir Freie Demokraten haben das Verbot des Verbrennungsmotors, wie von der Europäischen Kommission angestrebt, erfolgreich abwenden können. Auch nach 2035 können Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden können, weiterhin zugelassen werden. Mit dem Abwenden des Verbrenner-Verbots haben wir eine langfristige Perspektive für eine wirtschaftliche Produktion von E-Fuels geschaffen.
Wir werden die Forschungsförderung für die technische Weiterentwicklung und Massenproduktion von E-Fuels ausweiten. Im Rahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit werden wir durch gezielte E-Fuels-Partnerschaften den Aufbau von Produktionsinfrastruktur in geeigneten Partnerländern fördern. Durch diese Maßnahmen werden wir die tatsächliche Verfügbarkeit von E-Fuels sicherstellen und den Partnerländern eine wirtschaftliche Perspektive geben.
4. Belastungen für Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger vermieden
Zum Schutz der wirtschaftlichen Entwicklung und der Einkommen der Menschen haben wir Freie Demokraten zusätzliche Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in den Verhandlungen abwenden können.
Vorschläge, wie eine Reduktion der Pendlerpauschale, eine planwirtschaftliche nationale E-Auto-Quote inklusive einer E-Auto-Quote von 100% bis 2030 für Firmenflotten und die Verdoppelung der Dienstwagenbesteuerung ab 2024, wird es auch zukünftig nicht geben. Die Dienstwagenbesteuerung bleibt fair und unbürokratisch. Das BMF wird im Gegenteil ein Konzept zur technologieoffenen steuerlichen Gleichbehandlung klimaneutraler Dienstwagen vorlegen.
Beim Gebäudeenergiegesetz wird darauf geachtet, dass ein technologieoffener Ansatz verfolgt wird. So wird es etwa eine Reihe unterschiedlicher Erfüllungsoptionen geben müssen, zu denen der Betrieb mit grünem und blauem Wasserstoff, sowie Biomasse gehören. Zudem sind fossile Heizungen weiterhin zugelassen, die Wasserstoff- oder Grüne-Gase-Ready sind, wenn ein Transformationsplan für das Gasnetz vorliegt. Das Gesetz wird insgesamt pragmatisch ausgestaltet, unbillige Härten auch zum sozialen Ausgleich werden vermieden. Wir werden darauf achten, dass Bürgerinnen und Bürger nicht finanziell überfordert werden. Hierfür prüfen wir ein aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziertes Förderprogramm.
Mit unserer Politik der Mitte und der sozialen Markwirtschaft leisten wir Freien Demokraten einen Beitrag für einen wirtschaftlich tragfähigen Klimaschutz mit den Bürgern und Unternehmen, statt gegen sie und zur nachhaltigen Modernisierung unseres Landes.
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